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Stadtmuseum Simeonstift gibt Raubkunst-Gemälde an Erbin zurück

Das in der NS-Zeit geraubte Gemälde «Ijsvermaak/ Schlittschuhlaufen» des niederländischen Malers Adam van Breen (1585-1642) hat das Stadtmuseum Simeonstift Trier heute an die Erbin des früheren Eigentümers zurückgeben.

Im Zuge von Recherchen zu dem im Bestand des Stadtmuseums Simeonstift Trier befindlichen Gemälde „Eissegeln“, zugeschrieben an David Vinckboons, auf dem Rahmen versehen mit einer Künstlerplakette „Adam van Breen“, ist Dr. Jens Fachbach, der vom Stadtmuseum mit einem Beitrag zu diesem Werk beauftragt worden war, darauf aufmerksam geworden, dass es sich um Raubkunst handeln könnte. Die Recherchen ergaben, dass es sich um das seit 2019 unter der Lost-Art-ID 584363 registrierte, aus dem Besitz des niederländisch-jüdischen Kunsthändlers und Sammlers Jacques Goudstikker (1897–1940) stammende, im Juli 1940 im Auftrag von Hermann Göring in Amsterdam beschlagnahmte und seitdem verschollene Bild „Ijsvermaak / Schlittschuhlaufen“ von Adam van Breen handeln könnte.

Das Stadtmuseum Simeonstift hat das fragliche Gemälde im Jahr 1987 als Schenkung aus dem Nachlass von Dr. Martin Schunck erhalten, der es nach einem handschriftlichen Vermerk auf der Rückseite eines von „Toelle Foto“ in Berlin angefertigten Fotoabzuges im September 1940 zum Preis von 8000 RM als „Eislandschaft“ von Adam van Breen gekauft hatte.

Mit diesen Informationen sowie Aufnahmen der Vorder- und Rückseite des Gemäldes wandte sich das Stadtmuseum am 15. März 2021 an Rechtsanwalt Dr. Ewald Volhard, den Administrator und Koordinator des vom „Deutschen Zentrum Kulturgutverluste“ in Magdeburg geförderten „Goudstikker Research Projects“, mit der Bitte um Überprüfung, ob es sich bei dem besagten Gemälde um das als nationalsozialistische Raubkunst gesuchte handele. Für diesen Fall stellte das Museum bereits vorab eine Restitution in Aussicht.

Im Rahmen der Überprüfung der Provenienz des Gemäldes kamen die Experten des Forschungsprojektes vor allem aufgrund der noch sichtbaren Reste eines Klebeetiketts auf der Rückseite, das sie als ein solches der ehemaligen Sammlung Goudstikker identifizieren konnten, zu dem Schluss, dass es sich bei dem aktuell im Besitz des Simeonstiftes befindlichen Gemälde um das 1940 in Amsterdam geraubte handelt. Im Auftrag der rechtmäßigen Erben der Sammlung Goudstikker bat Herr Dr. Volhard mit Schreiben vom 15. April 2021 daher um eine Restitution des Gemäldes.

Zum Gemälde „Eissegeln“

Als das Bild „Eissegeln“ im Jahr 1987 als Schenkung aus dem Nachlass des Industriemanagers Dr. Martin Schunck in den Bestand des damaligen Städtischen Museums Simeonstift gelangte, vermutete wohl keiner der Verantwortlichen, dass es sich bei diesem Werk um nationalsozialistische „Raubkunst“ handeln könnte. Man war vielmehr froh, mit der umfangreichen Sammlung dieses Stifters zahlreiche bedeutende Gemälde aus dem 17. Jahrhundert, dem „Goldenen Zeitalter“ der niederländischen Malerei, erhalten zu haben.

Unter diesen nimmt das Gemälde „Eissegeln“ aufgrund seiner künstlerischen Qualität, seines ausgezeichneten Erhaltungszustandes und seines ungewöhnlichen Themas eine besondere Stellung ein. Es gibt zwar eine Vielzahl von Darstellungen von Wintervergnügen unterschiedlichster Art auf den zugefrorenen niederländischen Gewässern. Aber nur selten sind auf dem Eis segelnde Boote zu finden.

Die wenigen bekannten Gemälde dieses Themas gehen wahrscheinlich auf eine Fahrt des niederländischen Statthalters Moritz von Oranien (1567-1625) zurück, die dieser in dem äußerst kalten Winter des Jahres 1610 unternommen hatte. Auch wenn die Personen in den beiden Segelbooten nicht zu identifizieren sind, zeigt die vornehme Kleidung, dass das „Eissegeln“ ein Vergnügen der reichen Oberschicht war.

Neben entsprechenden finanziellen Mitteln waren für diese Bootsfahrten auf dem Eis auch ganz besondere Wetterbedingungen erforderlich. Es musste längere Zeit extrem kalt sein, damit sich auf den Flüssen, Seen und Grachten eine geschlossene Eisdecke in ausreichender Stärke bilden konnte, um ein vollbesetztes Segelboot tragen zu können. Auch genügend starker Wind musste herrschen.

Alle heute bekannten Darstellungen des „Eissegelns“ scheinen um das Jahr 1610 entstanden zu sein und zeigen überdies auffallende Übereinstimmungen. Vermutlich gehen sie sogar auf eine gemeinsame Vorlage zurück, wurden aber wohl von unterschiedlichen Künstlern ausgeführt. Von diesen Gemälden ist leider nur das heute im Rijksmuseum in Amsterdam befindliche signiert und datiert. Es wurde im Jahr 1610 von Adam van Breen gemalt. Dieses Bild bildet den Fixpunkt für die künstlerische Einordnung der anderen Darstellungen.

Das aus der Sammlung Goudstikker stammende und 1987 ins Simeonstift gelangte Gemälde galt lange ebenfalls als ein Werk Adam van Breens und trägt bis heute eine Künstlerplakette mit seinem Namen. Nachdem jedoch im Jahr 1983 Prof. Haverkamp-Begemann ein ähnliches, in Privatbesitz befindliches und im Jahr zuvor in Den Haag ausgestelltes Werk aufgrund der Darstellung der Figuren und ihrer Gruppierung dem Maler David Vinckboons zugeschrieben hatte, wies auch Roland Augustin im Jahr 1992 das Gemälde im Simeonstift diesem Künstler zu. Ausschlaggebend waren die weitgehenden Übereinstimmungen mit dem in Den Haag gezeigten Bild und die Unterschiede gegenüber der von Adam van Breen signierten Darstellung im Rijksmuseum.

Über viele Jahre hing das heute zu restituierende Gemälde in der Dauerausstellung des Stadtmuseums Simeonstift und erfreute sich bei den Besucherinnen und Besuchern großer Beliebtheit. Viele Führungen beschäftigten sich mit dem ungewöhnlichen Thema des Segelns auf dem Eis und dem regen Treiben drumherum.

Jetzt gilt es für das Team des Museums wie für die Gäste, Abschied zu nehmen. Das Bild wird in Kürze die Reise zu den Erben von Jacques Goudstikker antreten, seinem rechtmäßigen Eigentümer, dem das Unrechtsregime der Nationalsozialisten es im Juli 1940 geraubt hatte.

Dem Simeonstift ist die Restitution geraubten Kulturguts ein wichtiges Anliegen. Die Museumsmacher:innen empfinden sie als moralische Verpflichtung, auch wenn die Rückgabe von Kunstwerken das erlittene Unrecht nicht ungeschehen oder wiedergutmachen kann.

Kurzvita Dr. Martin Schunck

Dr. Martin Schunck wurde im Jahr 1900 in Hanau geboren. 1908 siedelte die Familie nach Trier über, wo Schunck seine Schulzeit verbrachte. Von 1921 bis 1925 studierte er in Köln Volks- und Betriebswirtschaft und absolvierte bei der dortigen Dresdner Bank von 1922 bis 1924 eine Banklehre. Nach seiner Promotion zum Dr. rer. pol. trat er in das Erdgasunternehmen Gewerkschaft Elwerath als geschäftsführendes Vorstandsmitglied ein, für das er bis zu seiner Pensionierung tätig war. Die jetzige BEB Erdgas und Erdöl GmbH in Hannover ist heute das größte Erdgasunternehmen Deutschlands. Seinen Ruhestand verbrachte Martin Schunck wieder in Trier und starb hier 1987.

Seine besondere Liebe galt der Kunst, und so trug er im Laufe seines Lebens eine umfangreiche und bemerkenswerte Sammlung zusammen, zunächst Gemälde und Skulpturen, später vor allem Miniaturen und ostasiatische Kleinplastiken. Dabei sammelte er nach individuellen Vorlieben und orientierte sich bei seinen Ankäufen ganz an seinem persönlichen Geschmack. So besaß er Gemälde von der Spätgotik bis ins 20. Jahrhundert, mit einem Schwerpunkt auf der niederländischen Malerei, aber auch Aquarelle von Marc Chagall und Alexej Jawlensky. Viele Überraschungen birgt vor allem die Sammlung ostasiatischer Kleinplastik, die zu den größten in Deutschland gehört und rund 1250 Stücke umfasst. Seinen gesamten Kunstbesitz stiftete Dr. Martin Schunck im Jahr 1987 testamentarisch der Stadt Trier.

Quelle: Pressemeldung Stadtmuseum Simeonstift Trier, Zusammenstellung der Texte: Dr. Bernd Röder


Gemälde im Lost-Art-Register


Goudstikker Art Research Project


NS-Zeit geraubte Gemälde «Ijsvermaak/ Schlittschuhlaufen» des niederländischen Malers Adam van Breen (1585-1642)
©  Stadtmuseum Simeonstift Trier
Restitution des Gemäldes von Adam van Breent im Stadtmuseum Simeonstift Trier.
©  Amt für Presse und Kommunikation Trier