Knapp 700 der 5 000 Objekte wurden der Museumssammlung zwischen 1933 und 1945 hinzugefügt und sind damit in die Zeit des Nationalsozialismus einzuordnen. Überwiegend stammen sie aus archäologischem Kontext unserer Region. Verdachtsmomente liegen vor allem in der Roentgen- und Kinzing-Sammlung des Museums, deren Objekte den Status von Alleinstellungsmerkmalen aufweisen. Dabei handelt es sich um Kunstmöbel aus der Werkstatt von Abraham und David Roentgen.
Zu der Sammlung zählt auch ein Aufsatzschreibtisch des Kunsttischlers Georg Rudolph Gambs, der 1940 im Berliner Kunsthandel erworben wurde. Auf diesem Möbel liegt ein Verdachtsmoment, das während des Erstchecks genauer überprüft werden soll. Ein weiteres Verdachtsmoment liegt auf einem Tafelklavier, das sein Besitzer im Jahr 1939 in München erwarb, bevor es in den 1970er Jahren als Schenkung in die Sammlung des Museums gelangt ist. Weitere Einzelheiten dieses Vorgangs soll der Erstcheck klären. Gegenwärtig kann nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Objekte auch in Verbindung zur jüdischen Gemeinde stehen, die bis 1942 in Neuwied existierte. So liegt der Verdacht nahe, dass einzelne Objekte auch mit Personen vor Ort in Verbindung stehen könnten, die als Opfer des Nazi-Regimes in Betracht kommen.
Museumsleiterin Jennifer Stein geht davon aus, dass der Erstcheck die nötige Klarheit bringt, wenn die Verdachtsmomente geprüft werden und sieht dem Start zuversichtlich entgegen: „Das Roentgen-Museum blickt auf eine fast 100-jährige Geschichte zurück. Mit unserer Sammlungsgeschichte müssen wir uns beschäftigen – auch wenn es unbequem sein mag. Ein paar Stücke, besonders innerhalb unserer Möbelsammlung, die in den Jahren 1933-45 angekauft wurden, werfen eindeutig Fragen auf. Von dem Erstcheck erhoffe ich mir tiefere Einblicke in die Geschichte dieser Stücke. Sollte sich hieraus mehr als ein Verdachtsmoment ergeben, werden wir damit selbstverständlich transparent umgehen und alles daran setzen die entsprechenden Konsequenzen daraus zu ziehen – in Form einer gerechten und fairen Lösung. Das ist unsere Verantwortung.“
Die Geschäftsführerin des Museumsverbands Rheinland-Pfalz, Miriam Anders, freut sich auf den Projektstart in Neuwied: „Museen sind zentrale Orte für die Auseinandersetzung mit historischem Unrecht und der Geschichte unserer Demokratie. Dazu zählt auch die Aufarbeitung der eigenen Sammlungsgeschichte. Seit 2021 arbeitet der Verband intensiv daran, das Format der Erstchecks nach Rheinland-Pfalz zu holen, und es ist großartig, dass es nun endlich losgeht. Die meisten kleinen und mittelgroßen Museen im Land brauchen für die Provenienzforschung finanzielle und personelle Unterstützung. Ich bin sehr dankbar, dass der Museumsverband mit der großzügigen Förderung des Kulturministeriums und des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste in Magdeburg nun vier Einrichtungen diese Unterstützung bieten kann.“
Das Projekt zur Suche nach NS-Raubgut an kleinen und mittelgroßen Museen ist das erste seiner Art in Rheinland-Pfalz. Kernelement ist dabei die Überprüfung von Museumssammlungen auf NS-verfolgungsbedingt entzogene Objekte, der sogenannte Erstcheck. Gefördert wird das Projekt vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste über einen Zeitraum von sechs Monaten mit 40.000 Euro – es handelt sich dabei um das maximale Fördervolumen. Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste fördert die Erstchecks vollständig, den Museen entstehen keine Kosten. Von November 2024 bis Mai 2025 werden neben der Sammlung des Roentgen-Museums Neuwied in der Reihenfolge ihrer Nennung die Sammlungen des Stadtmuseums Bad Dürkheim, des Eifelmuseums Mayen und des Erkenbert-Museums Frankenthal überprüft. Organisiert und koordiniert werden die Erstchecks vom Museumsverband Rheinland-Pfalz e. V.; hierfür steht eine vom Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration Rheinland-Pfalz auf zwei Jahre geförderte Projektstelle für Provenienzforschung zur Verfügung.
Quelle: Pressemitteilung des Landkreises Neuwied vom 25. November 2024